Am 23.06.2021 wird im Europäischen Parlament der sogenannte „Matić-Bericht“ mit einem weitreichenden Forderungskatalog in Bezug auf „sexuelle und reproduktive Gesundheit und damit verbundene Rechte“ zur Abstimmung vorgelegt:

Wiederholt wird in diesem der Zugang von Frauen zu einer Abtreibung als ein gesetzlich zustehendes Recht auf eine medizinische Versorgung proklamiert. Um Frauen zu diesem Recht uneingeschränkt zu verhelfen, sei es insbesondere erforderlich, die Gewissenklauseln für medizinisches Personal als Hürde beim Zugang zur Abtreibung abzuschaffen:

Besonders bemerkenswert sind folgende Passagen:

„Eines der problematischsten Hindernisse ist die Verweigerung der medizinischen Versorgung aufgrund persönlicher Überzeugungen, bei der medizinische Fachkräfte häufig keine Abtreibungen durchführen und sich auf ihre persönlichen Überzeugungen berufen. Dadurch wird Frauen nicht nur ihr Recht auf Gesundheit und medizinische Behandlung verwehrt, sondern auch die Frage der öffentlichen Überweisungssysteme aufgeworfen.“

„In Zukunft sollte sie (Anm.: die Verweigerung an einer Mitwirkung an einer Abtreibung)  als Verweigerung der medizinischen Versorgung und nicht als sogenannte Verweigerung aus Gewissensgründen behandelt werden.“

Das Salzburger Ärzteforum positioniert sich öffentlich ganz klar gegen dieses Ansinnen des Matić-Berichtes:

# Aus unserer Sicht überschreitet der Matić-Bericht eindeutig die Befugnisse der EU massiv, denn  Themen wie Gesundheit, Sexualerziehung, Reproduktion und Abtreibung unterliegen der souveränen  Legislativbefugnis der einzelnen Mitgliedstaaten.

# Die Forderung nach Aufhebung der Gewissenklauseln für medizinisches Personal, da diese eine Hürde beim Zugang zur Abtreibung darstelle, widerspricht der Gesetzgebung in über 20 (!) Europäischen Mitgliedsstaaten – so auch in Österreich:

  • 96 des Österreichischen StGB bezeichnen einerseits Schwangerschaftsabbruch als strafbare Handlung, die gemäß § 97 nur unter gewissen Bedingungen straffrei gestellt ist. Explizit wird hier auch geregelt, dass kein Arzt verpflichtet werden kann, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen oder an ihm mitzuwirken und aufgrund einer Weigerung, einen solchen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen, keinerlei Benachteiligung erfahren darf.

# Somit untergräbt die Forderung nach Abschaffung der Gewissenklausel für Ärzte und medizinisches Personal die Souveränität der EU-Mitgliedsstaaten, was eine inakzeptable Überschreitung der EU-Kompetenzen darstellt.

# In der Argumentation wird Abtreibung unter Verweis auf die Menschenrechte als Recht jeder Frau bezeichnet – davon ist in den internationalen Rechtsvorschriften nachweislich jedoch nichts zu finden.

# In Summe muss der vorgelegte Text des Matić-Berichtes als hochgradige, ideologisch bedingte und bewusst manipulative Fehl-Interpretation der Menschenrechte bezeichnet werden.

# Eine Annahme des Matić-Berichtes würde mit hoher Wahrscheinlichkeit mittelfristig in Analogie auch dazu führen, dass Ärztinnen und Ärzten sowie medizinische Institutionen in Ländern mit legalisiertem „Assistierten Suizid“ und „Tötung auf Verlangen“ unter Androhung entsprechender Folgen das Recht und die Freiheit zur Ablehnung aus Gewissensgründen genommen werden sollte.

Die ärztliche Gewissensfreiheit in Frage zu stellen widerspricht aus unserer Sicht ebenso klar den Menschenrechten wie der Rechtsstaatlichkeit.

Als Ärztinnen und Ärzte, die Menschen von Beginn Ihres Lebens bis zu Ihrem Ende begleiten, sehen wir gerade eine ganz wesentliche ärztliche Verpflichtung darin, in der tagtäglichen Ausübung unseres Berufes auch unser persönliches Gewissen mit Blick auf das im Hippokratischen Eid verankerte ärztliche Ethos zu berücksichtigen.