Mit der Zustimmung des Europäischen Parlaments zum sogenannten „Matić-Bericht“ – dem „Entschließungsantrag zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit“ – wurde heute am 24.06.2021 ein wohl historisch zu nennender Anschlag auf die Menschenrechte und auch auf das ethische Selbstverständnis der Ärzteschaft begangen:
Gerade unter Verweis auf die Menschenrechte wird in diesem Bericht durch Zuhilfenahme einer manipulativen Terminologie und Verwendung unzutreffender Begrifflichkeiten der Zugang von Frauen zu einer Abtreibung als ein „gesetzlich zustehendes Recht auf eine medizinische Versorgung“ proklamiert. Um Frauen zu diesem Recht uneingeschränkt zu verhelfen, sei es insbesondere erforderlich, die Gewissenklauseln für medizinisches Personal als Hürde beim Zugang zur Abtreibung abzuschaffen:
Wörtlich heißt es:
„Eines der problematischsten Hindernisse ist die Verweigerung der medizinischen Versorgung aufgrund persönlicher Überzeugungen, bei der medizinische Fachkräfte häufig keine Abtreibungen durchführen und sich auf ihre persönlichen Überzeugungen berufen. Dadurch wird Frauen nicht nur ihr Recht auf Gesundheit und medizinische Behandlung verwehrt, sondern auch die Frage der öffentlichen Überweisungssysteme aufgeworfen.“
„In Zukunft sollte sie (Anm.: die Verweigerung an einer Mitwirkung an einer Abtreibung) als Verweigerung der medizinischen Versorgung und nicht als sogenannte Verweigerung aus Gewissensgründen behandelt werden.“
Dass dieser Entschließungsantrag inhaltlich selbst mehrfach gegen tatsächliche Rechte (das Grundrecht auf Leben, auf Gewissensfreiheit und auf Religionsfreiheit) und auch gegen das Toleranzgebot gegenüber Andersdenkenden verstößt – ist ebenso bemerkenswert wie die Tatsache, dass die Grenzen der Zuständigkeit des EU-Parlaments offensichtlich bewusst überschritten wurden, da Themen wie Gesundheit, Sexualerziehung, Reproduktion und Abtreibung der souveränen Legislativbefugnis der einzelnen Mitgliedstaaten unterliegen.
In weiterer Folge ist zu befürchten, dass durch die Annahme des Matić-Berichtes als Empfehlung an die EU-Mitgliedsstaaten, mittelfristig – in Analogie zum Schwangerschaftsabbruch – Ärztinnen und Ärzten sowie medizinische Institutionen in Ländern mit legalisiertem „Assistierten Suizid“ und „Tötung auf Verlangen“ unter Androhung entsprechender Folgen das Recht und die Freiheit zur Ablehnung aus Gewissensgründen abgesprochen werden könnte.
Eine Einschränkung der ärztlichen Gewissensfreiheit bedeutet jedoch, aus Ärztinnen und Ärzten Handlanger machen zu wollen.
Es ist eine Frage der eigenen Menschenwürde von uns Ärztinnen und Ärzten, in der tagtäglichen Ausübung unseres Berufes auch unser persönliches Gewissen mit Blick auf das im Hippokratischen Eid verankerte ärztliche Ethos zu berücksichtigen. Dieses Recht müssen wir unter allen Umständen verteidigen – nicht zuletzt zum Wohl der uns anvertrauten Patienten.