Die Abgeordneten des EU-Parlamentes forderten am 07.07.2022 in einer Entschließung, dass das „Recht auf Abtreibung“ in die Charta der Grundrechte der Europäischen Union aufgenommen werden solle:
Dem Rat solle nun ein Vorschlag zur Änderung von Artikel 7 der Charta unterbreitet werden, damit diesem der Satz hinzugefügt werde: „Jeder hat das Recht auf sichere und legale Abtreibung“. Die Abgeordneten erwarten, dass der Europäische Rat einen Konvent zur Überarbeitung der EU-Verträge einberufe.
Die EU-Länder sollten den Zugang zu sicheren, legalen und kostenlosen Abtreibungsdiensten, zu Dienstleistungen und Versorgungsleistungen im Bereich der pränatalen und mütterlichen Gesundheitsversorgung, zu freiwilligen Familienplanungen, Verhütungsmitteln, jugend-freundlichen Dienstleistungen sowie zu HIV-Prävention, -Behandlung, Pflege und Unterstützung ohne Diskriminierung gewährleisten, heißt es in der Resolution. Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten ihre politische Unterstützung für Menschenrechtsverteidiger und Erbringer von Gesundheitsleistungen verstärken, die sich für die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte einsetzen.
Die EU-Grundrechtecharta wurde 2000 durch die Präsidenten des Europäischen Parlaments, der EU-Kommission und des Rates unterzeichnet und ist seit 2009 in der gesamten Europäischen Union rechtsverbindlich. In Artikel 2, Absatz 1 der Grundrechtecharta steht explizit: „Jeder Mensch hat das Recht auf Leben.“, Artikel 3, Absatz 1 stellt klar: „Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit.“ Ausdrücklich verboten sind die Todesstrafe, eugenische Praktiken und das reproduktive Klonen von Menschen. Ein „Recht auf Abtreibung“ findet sich in diesem Text ebenso wenig wie in der Menschenrechtskonvention der UNO bzw. des Europarates.
Einer ganzen Bevölkerungsgruppe – jener der Ungeborenen – systematisch ihr Recht auf Leben und ihre Schutzbedürftigkeit radikal aberkennen zu wollen und dies als Errungenschaft im Sinne der Verteidigung der Menschenrechte umzuformulieren, ist ebenso paradox wie zynisch.
Man scheint nichts aus der Europäischen Geschichte des letzten Jahrhunderts gelernt zu haben, welche gezeigt hat, dass die systematische Tötung unschuldiger Menschen, welche zudem zu den Schwächsten und Hilflosesten in der Gesellschaft gehören, ein nicht zu rechtfertigendes Unrecht ist, welches folgenschwere Auswirkungen auf Frieden und Stabilität in Gesellschaft und Staat nach sich zieht.
Wir sehen in dieser Forderung des EU-Parlamentes einen bewussten Akt ideologisch motivierter politischer Manipulation auf höchster Ebene, der keinerlei Mehrheitsentscheidung der EU-Bürgerinnen und EU-Bürger zugrunde liegt, sondern vielmehr die Strategie einer Lobby feministisch-ideologisch geprägter PolitikerInnen, die sich anmaßen, über Lebenswert und Lebensrecht ungeborener Menschen bestimmen zu wollen.
Es gilt offenbar die Devise, eine Ideologie – koste es was es wolle – in das EU-Fundament einzementieren zu wollen. Und der Preis dafür ist hoch:
Von den weltweit jährlich etwa 11 Mio. Abtreibungen werden ca. 780.000 in den EU-Mitgliedstaaten durchgeführt. (Quelle: Abortion worldwide Report 2017)
Um die Trageweite abzuschätzen: Derzeit zählt die EU ca. 450 Mio. EU-Bürger, die jährliche Geburtenrate liegt bei ca. 4 Millionen. Bei 780.000 Abtreibungen jährlich ergibt sich ein Verhältnis zwischen Schwangerschaftsabbrüchen und Lebendgeburten von 1:5,5. d.h. auf 1000 Lebendgeburten kommen statistisch 180 Abtreibungen.
Kann sich die EU langfristig eine derartig hohe Todesrate Ungeborener leisten? Die Forderung nach einer weiteren Liberalisierung der Abtreibungen klingt insbesondere vor dem Hintergrund einer sich permanent zuspitzenden demographischen Schieflage auf dem „alten Kontinent“ absurd.
Mit der Etablierung eines „Rechtes auf Abtreibung“ in der EU-Grundrechts-Charta würde erreicht werden, dass die bis dato geltende souveräne Legislativbefugnis der einzelnen Mitgliedstaaten zu Themen wie Gesundheit, Sexualerziehung, Reproduktion und Abtreibung unterminiert und defacto abgeschafft würde.
Ein „Recht auf Abtreibung“ hätte mittelfristig auch zur Folge, dass Ärztinnen und Ärzten sowie medizinischen Institutionen das Recht und die Freiheit zur Ablehnung aus Gewissensgründen abgesprochen werden könnte.
Abgesehen von den menschlichen Tragödien würde eine Verankerung eines Rechtes auf Abtreibung auch bedeuten, dass diese aus den Mitteln für die öffentliche Gesundheit finanziert werden müssten. Somit würden alle EU-Bürger – ungeachtet ihrer religiösen und ethischen Haltung – Abtreibungen mitfinanzieren müssen, was einem ideologischen Diktat gleichkäme.
Eine verantwortungsvolle, zukunftsorientierte und friedenssichernde Europa-Politik müsste angesichts der humanitären Tragödie millionenfacher Abtreibungen, der vielfachen Folgewirkungen auf die psychosomatische Gesundheit der betroffenen Frauen / Paare, auf das demographische Gefüge der Staaten und der sich daraus ergebenden gravierenden soziologischen Folgen bemüht sein, Abtreibungen zu vermeiden.
Es wäre ein Indiz politischen Weitblicks, sich auf EU-Ebene zu einer Optimierung der Hilfestellungen zu bekennen, um Frauen auch in schwerwiegenden Schwangerschaftskonfliktsituationen eine realistische Option zu ermöglichen, JA zu ihrem Kind sagen zu können.