Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat nun die Klage auf Schadenersatz für die Geburt eines gesundes Kind, welches, trotz zuvor erfolgter operativer Sterilisation des Vaters, von diesem gezeugt wurde, abgelehnt. Ein Sprecher des OGH stellte jedoch fest, dass „auch bei einem gesunden Kind ein Schadenersatz denkbar wäre, wenn die Familie durch die ungewollte Geburt in eine existentielle Not geraten würde“. Dies war hier offensichtlich nicht der Fall.
Es ist für uns als Ärztinnen und Ärzte unannehmbar, dass das Entscheidungskriterium der OGH-Richter lediglich das Ausmaß der „Schädigung“ darstellt. Durch dieses Urteil unterstreicht der OGH die Tatsache, dass diesem wie auch dem letzten Urteil (Geburt eines Kindes mit Mb.Down) keinerlei ethische Grundhaltung zugrunde liegen !
Das Höchstgericht hätte – in logischer Ableitung aus dem Menschenrecht auf Leben und dem verfassungsrechtlich festgelegtem Gleichheitsgrundsatz – beide Anträge auf Schadensersatz zurückweisen müssen, und zwar mit der Begründung, dass niemals und unter keinerlei noch so widrigen Umständen die Geburt eines Kindes (unabhängig von dessen Gesundheitszustand, Behinderungsgrad, Geschlecht, der sozioökonomischen Situation der Familie oder dem Grad der „Erwünschtheit“ durch die Eltern) als Schaden gewertet werden kann, da das Leben an sich wertvoll und aus diesem Grund zu schützen ist.
Die Urteilsprinzipien des OGH widersprechen denen einer zivilisierten Gesellschaft Wir fordern hiermit alle politisch Verantwortlichen und alle im Nationalrat vertretenen Parteien auf, so wie in anderen europäischen Staaten gesetzlich klar zu regeln und in der Verfassung zu verankern, dass die Geburt jeglichen Kindes – und nicht nur die eines „Wunschkindes“ – niemals einen Schadensfall darstellen kann !
für das
„Salzburger Ärzteforum für das Leben“
Dr. Florian Baumgartner
Erläuterungen zur Presseerklärung:
Der Oberste Gerichtshof (OGH) wies die Klage auf Schadenersatz für die Geburt dieses Kindes mit der Begründung ab, dass eben dieses Kind kein Schadensfall sei. Im Unterschied zum vor einigen Monaten gefällten Urteil, handelt es sich nun um ein gesundes Kind, welches jedoch trotz zuvor erfolgter operativer Sterilisation des Vaters (nach angeblich unzureichender ärztlicher Aufklärung) von diesem gezeugt wurde.
Auf den ersten Blick wirkt dieser Urteilsspruch sehr erfreulich, wird doch – im Gegensatz zum vorangegangenen – deutlich festgestellt, dass dieses gesunde Kind, obwohl es „unerwünscht“ war, keinen Schaden für die Eltern darstelle.
Kritisch betrachtet fallen jedoch sehr fragwürdige Details auf:
Es scheint bei der Urteilsfällung deutlich zwischen einem gesunden und einem kranken / behinderten Kind unterschieden zu werden. Den Vorwurf einer Diskriminierung von Behinderten von sich weisend stellte ein Sprecher des OGH fest, dass „auch bei einem gesunden Kind ein Schadenersatz denkbar wäre, wenn die Familie durch die ungewollte Geburt in eine existentielle Not geraten würde“.
Durch das erste Urteil, welches die Geburt eines Kindes mit Morbus Down als Schadensfall bestätigte, hat der OGH also grundsätzlich unterstrichen, dass die Geburt ein kranken Kindes einen Schaden darstellen könne. Wie von uns damals bereits festgestellt widerspricht diese Ansicht grundlegend den Menschenrechten.
Im jetzigen Urteil wird der Geburt eines gesunden Kindes offensichtlich nur deshalb nicht eine Schadensqualität zuerkannt, weil die Not der Familie, in welche diese offensichtlich durch die Geburt kam, nicht groß genug gewesen sei.
Die Brisanz beider Fälle liegt in folgender Tatsache:
Wenn laut OGH-Urteilen also durch die Geburt eines Kindes unter gegebenen äußeren Umständen ein Schadensfall entstehen kann, können auch Schadensersatzansprüche gegenüber dem Verursacher dieses Schadens geltend gemacht werden: Wegen einer derartigen „Schuld“ wurde im ersten Fall ein Gynäkologe verurteilt, im zweiten Fall ein Urologe wegen „Schuldlosigkeit“ freigesprochen.
Allerdings sind in den meisten Fällen nicht Ärzte (durch eine Unterlassung einer Aufklärung oder eine falsche medizinische Behandlung) für das Eintreten einer Schwangerschaft verantwortlich, sondern die Eltern des Kindes. Folgerichtig müsste also auch der OGH einen Schadenersatz zugestehen, wenn eine Frau den Vater ihres „ungewollten, ungeplanten“ (gesunden oder behinderten) Kindes verklagt, weil sie durch die Schwangerschaft in große, existenzielle Not geraten sei. Es wäre aber ebenso ein Urteil gegen eine Mutter denkbar, weil der Kindesvater durch die Geburt eines Kindes (aufgrund unterlassenen Schwangerschaftsabbruches) in eine ausweglose persönliche bzw. finanzielle Situation gerät.
Die Absurdität derartiger Klagen macht klar, dass eben nicht das „Schadensausmaß“ für ein Urteil ausschlaggebend sein kann, sondern nur die Tatsache, dass eben ein Kind niemals ein „Schaden“ ist !
Abgesehen von der juristischen Seite stellt sich uns weiters die Frage, wie in einem der reichsten Länder der Welt für eine Familie die Geburt eines Kindes eine derartige finanzielle Belastung darstellen kann, dass Eltern sich zu dem drastischen Schritt motiviert sehen, über eine Schadensersatzklage ihre finanzielle Situation aufzubessern. Dass Kinderreichtum zur Verarmung einer Familie beiträgt, wurde mehrfach durch soziologische Untersuchungen belegt. Hier ist die Politik gefordert, endlich ausreichende Rahmenbedingungen auch für kinderreiche Familien zu schaffen. Das politische Bekenntnis zu einer Stabilisierung und Verbesserung der Geburtenrate ist in Anbetracht der demographischen Situation Österreichs und Europas dringender denn je notwendig, will man langfristig unsere Gesellschaftsstruktur erhalten und Ziele wie die Verbesserung des Arbeitsmarktes oder die langfristige Finanzierung des Pensions- und Gesundheitssystems erreichen.